No Lager
Ich möchte dieses Thema aufgreifen, auch wenn ich dazu nichts amüsanten oder informatives beitragen kann.
Ich habe einen sehr guten Freund, der gleichzeitig der warmherzigste Mensch ist, den ich kenne.
Er hat vor einigen Monaten begonnen aus einem der Kriesenherde der Welt zu flüchten. Nach mehreren Versuchen, bei denen er jedes Mal fast ertrunken oder erdolcht worden wäre, hat er es über andere europäische Länder nach Deutschland geschafft.
Er hat einen Asylantrag gestellt und ein paar Wochen in einem Lager gewohnt. Die Lager sind oft alte Militärgebäude, Gefängnisse oder Krankenhäuser. Oft leben vier oder mehr Personen in einem Raum und meistens teilen sich zwei Räume ein Badezimmer. Eine Küche gibt es oft nur für das ganze Gebäude oder ein ganzes Stockwerk.
Da diese Lager zunehmend privatisiert werden, werden sie zunehmend kostenorientiert geführt. Entsprechend verändert sich die Versorgung mit Lebensmitteln und sozialer und rechtlicher Betreuung.
Das Land vergibt den Auftrag an den preisgünstigsten Anbieter. Kennzahl sind hier die täglichen Kosten pro Bewohner pro Tag.
Mein Freund hatte Glück und darf erstmal hier bleiben.
Nun beginnt der Kampf darum den Asylantrag immer wieder zu verlängern.
Er lernt deutsch, er arbeitet, er ist offen für unsere Kultur.
Er versucht sich hier wieder an der Uni einzuschreiben. Gleichzeitig sorgt er sich um seine Familie daheim, versucht Geld dorthin zu schicken, sich hier an die neue Arbeit und die Lebensweise zu gewöhnen. Und wäre er Bordi würde er auch einen riesen Tamtam um die Verarbeitung seiner Reise machen.
Ich will keinen Vortrag über das Thema Lager oder den Duldungsstatus von Ausländern halten.
Das einzige was ich jedem ans Herz legen kann, ist offen auf jeden Menschen zuzugehen. Ich verstehe auch vieles nicht, warum sich Frauen verschleiern sollen, warum Beten so laut sein muss, warum man in Indien kein Klopapier benutzt und in der Türkei eine Gießkanne. Und ich finde nicht alles gut.
Aber man kann Menschen fragen, warum sie etwas tun und manchmal bringt einen das weiter. Und man kann auch einfach anderer Meinung sein.
Auch Menschen aus anderen Ländern gehen nicht immer konform mit ihrer Kultur. Zum Beispiel kenne ich Muslime, die an Gott glauben, aber auch an die buddhistische Lebensweise, das ist doch eine reichlich abenteuerliche Mischung, die nicht sehr traditionell sein kann.
Ich kenne viele Leute, die grade erst nach Deutschland geflüchtet sind. Das schlimmste was ich in diesem Kreis erlebt habe, waren mürrische alte Männer und flirtende Halbwüchsige.
Auf der anderen Seite habe ich sehr viel Hilfsbereitschaft und Interesse am Leben und der Sprache hier erlebt.
Ich habe auch schon oft genug ausländische Assis erlebt und wurde auch schon angepöbelt. Ich wirke auf andere eher resolut und selbstbewusst, von daher geschieht so etwas nicht oft. Aber einmal wurde ich, als ich alleine in der Disko war, von einem Rumänen ziemlich genervt. Und mit 13 wurde ich mal von einer Mädchengang dumm angemacht. Und ein Deutscher hat mich mal bis nach Hause verfolgt.
Gut, dass ich bei sowas nicht sehr ängstlich bin.
Aber soetwas ist mir nie mit Flüchtlingen passiert.
Wenn Rassisten rassistisch sein dürfen, weil ihnen mal ein Ausländer dumm gekommen ist, dann urteile ich auch nach meinen persönlichen Erfahrungen und sage: Die Art wie Flüchtlinge und Ausländer in Deutschland (zum Beispiel von den Menschen, die in der Nähe von Flüchtlingslagern wohnen) aufgenommen werden, trägt dazu bei, dass grade die jüngeren Ausländer aggressiv werden können.
Dabei geht es nicht darum, dass die Deutschen sich anpassen müssten oder vorsichtig sein müssten. Natürlich sage ich nicht zu einer flüchtigen Bekannten "Bist du bescheuert, bei 37 Grad komplett verschleiert herum zu laufen?"
Wenn ich aber mit Ausländern arbeite, trage ich den selben Ausschnitt wie immer und erwarte von ihnen genauso, dass sie unter einer Frau "kuschen". Diejenigen, die dies nicht gewohnt sind, werden dann oft sehr still und schüchtern, sodass ich mir das Grinsen verkneifen muss. Und was die verschleierte Frau angeht, wäre meine erste Frage: "Warum trägst du sowas?" Ob das bescheuert ist, kann man ja auch bequatschen, wenn man sich besser kennt. Vielleicht wird man dann auch gefragt, ob es nicht bescheuert ist, dass deutsche Frauen so gleichberechtigt sind, dass sie in einer Beziehung den Haushalt, die Kindererziehung und das Arbeiten übernehmen.
Hmm, ich konnte dem Predigen wohl nicht ganz wiederstehen.
la jaz am 18. Juli 13
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